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  • Johanna Tüntsch

SORGFALT UND LIEBE ZUR NATUR

EIN INTERVIEW MIT IMKERIN GERTI REICHENEDER-MÜLLER




Um auf die Bedeutung von Bienen als Nutztieren hinzuweisen, betreut die Agentur ROOS seit 2020 für Pink Lady® und Kaufland die Kampagne „Bee Pink“. Kundinnen und Kunden von Kaufland können sich auf der Website www.bee-pink.de registrieren, um zu „Bienenpaten“ zu werden. Als solche können sie Honiggläser gewinnen und ein Jahr lang den Alltag eines Bienenstocks erkunden. Informiert werden sie von Gerti Reicheneder-Müller, die das Pink Lady®-Patenvolk betreut. Wer ist die Frau, die seit zwei Jahren geduldig alle paar Wochen Ihr Bestes gibt, um auch bienen-fernen Menschen zu erklären, welches Durcheinander in der Welt der Insekten milde Winter und frostige Frühjahrswochen verursachen können? Wir haben nachgefragt.



Frau Reicheneder-Müller, wer Ihren Newsletter liest, weiß: Sie kommen aus einer Imkerfamilie. Was können Sie davon erzählen?


Ich bin zwischen München und Landshut inmitten der Natur aufgewachsen. Als Kind konnte ich schon anhand von Baumrinde oder Baumscheiben die verschiedenen Bäume voneinander unterscheiden. Sämtliche Blühpflanzen, die ich gefunden habe, habe ich gepflückt und mit in die Schule gebracht, wo ich es in Reagenzgläser stecken und versorgen durfte. Dadurch erhielten auch meine Mitschülerinnen und Mitschüler diverse Pflanzenkenntnisse.


Das Imkern kenne ich von klein auf. Mein Großvater hatte mit über 80 Jahren noch 75 Völker, davor waren es sogar 150 Völker! Auch meine Mutter hat in der Imkerei mitgeholfen und nach dem Tod meines Großvaters noch allein 40 Völker gehabt. Dadurch konnte ich von meinen Besuchen zu Hause regelmäßig zwei Eimer Honig mitbringen. Als meine Schwester später die Bienen übernahm und nur wenige Völker behielt, musste ich mir eine andere Lösung suchen.


Wäre es keine Option gewesen, einfach Honig zu kaufen?


Doch, anfangs wollte ich das. Ich habe mir hier im Siebengebirge, wo ich lebe, einen Imkerverein gesucht und wollte dort Honig kaufen. Einige Betriebe habe ich mir auch angesehen. Aber ich hatte genaue Vorstellungen und war mir nicht sicher, ob die Qualität des Honigs dort meinen Ansprüchen genügt hätte. Also habe ich eine ganze Reihe von Kursen absolviert und bin selbst aktiv geworden. Heute bin ich Honig- und Bienensachverständige und die erste Vorsitzende im Imkerverein Siebengebirge. Dort sprechen mich auch Interessenten an, die darüber nachdenken, mit der Imkerei anzufangen.


Welche Eigenschaften muss man denn mitbringen, um ein guter Imker zu sein?


Vor allem sollte man Liebe zur Natur haben – und zwar zu allem, was da kreucht und fleucht! Außerdem braucht man die Bereitschaft, erst einmal alles von Grund auf zu lernen. Wenn jemand fragt, ob er in unseren Verein eintreten kann, aber noch nie geimkert hat und keine Kurse belegen möchte, dann sage ich: „Tut mir leid, aber das geht nicht!“ So einen Fall habe ich erst kürzlich wieder erlebt.


Man muss auch sorgfältig sein, denn Imker unterliegen der amtlichen Kontrolle und müssen Buch führen – zum Beispiel über die Reinigung ihrer Materialien, über Arzneimittel, die sie einsetzen und natürlich über die Honigernte, das Schleudern und anderes mehr. Jede Tracht bekommt eine eigene Chargennummer. Daran muss sich jeder halten, auch, wer nur privat imkert. Ohne Bürokratie geht ja heute nichts mehr.


Sie sind Bienensachverständige. Was bedeutet das?


Als Bienensachverständige habe ich gelernt, Krankheiten zu erkennen. Wenn der Verdacht besteht, dass ein Bienenvolk erkrankt ist, berate ich die Imker. Bienen können zum Beispiel von der Varroamilbe befallen werden. Dann empfehle ich möglichst natürliche Säuren, also Oxal-, Milch- oder Ameisensäure. Es gibt verschiedene Krankheiten der Honigbiene, z. B. die Maikrankheit, die durch Flüssigkeitsmangel verursacht wird. Wenn sie auftritt, muss man schauen, ob den Bienen genug Wasserstellen zur Verfügung stehen.


Ein Problem ist die Faulbrut, ein bakterieller Befall. In Amerika werden dagegen Antibiotika eingesetzt, aber hier ist eine solche Behandlung verboten. Im schlimmsten Fall wird die Brut verbrannt. Wir versuchen allerdings die Völker zu retten. Dabei werden Kunstschwärme gebildet, drei Tage hungern gelassen und anschließend auf Mittelwände in frisch gereinigten Beuten einlogiert und gefüttert. Um andere Bienenvölker zu schützen, ist es wichtig, zu sehen, wo die Krankheit herkommt. Das ist einer der Gründe dafür, dass man ohne Anmeldung nicht imkern darf. Man hat als Imker aber auch ein eigenes Interesse daran, sich anzumelden: Wenn ein Bienenvolk wegen einer Seuche vernichtet werden muss, kann ein Imker von der Tierseuchenkasse eine Erstattung bekommen – aber natürlich nur, wenn er registriert ist.


Wie viel Zeit nimmt das Imkern in Anspruch?


Im Frühjahr und im Herbst sind die intensiven Phasen. Im Frühjahr nimmt man das nicht verbrauchte Winterfutter aus dem Stock, gibt frische Mittelwände für den Honigraum und setzt den Baurahmen ein im Sinne der natürlichen, biologischen Milbenreduktion. Viel Arbeit fällt dann wieder an, wenn die Honigernte kommt, im Herbst muss man einfüttern. Zudem werden die Zargen mit den dunklen Waben getauscht, die Waben eingeschmolzen und alles gereinigt für die nächste Saison aufbewahrt. Dazwischen ist es relativ ruhig, nur in der Schwarmzeit muss man präsent sein und schaut spätestens alle neun Tage mal nach: Ist der Baurahmen ordentlich ausgebaut? Sind zu viele Bienen drin? Sollte man erweitern, schröpfen? Mit der Zeit hat man ein Gefühl für seine Völker. Insgesamt würde ich schätzen, dass man pro Volk und Jahr mindestens zwei Stunden Zeit für die Bearbeitung der Bienen rechnen muss. Dazu kommt noch die Honig und -Wachsverarbeitung. Den Winter nutzt man, um nötige Reparaturen zu erledigen und neue Mittelwände einzulöten. Ich selbst habe, je nach Jahr, zwischen zwölf und 15 Völker.


Gibt es besondere Phänomene, die Sie beobachten?


Dieses Jahr habe ich zwei Völker ausgewintert, die weder Brut noch Königin haben. Das habe ich noch nie gehabt; normalerweise wird eine Arbeiterin zur Königin gemacht, wenn die Königin stirbt. Ich habe aber schon von vielen Imkern gehört, dass sie dieses Phänomen auch haben. Ich weiß nicht, was der Grund dafür ist. Vielleicht der viele Regen im letzten Jahr? Es hat schon immer den Fall gegeben, dass ein Volk einmal ohne Königin war, aber dieses Jahr scheint das häufiger aufzutreten als sonst.


Grundsätzlich erlebe ich die Gegend hier, das Siebengebirge, durch die große Pflanzenvielfalt als Bienenparadies. Sortenreine Honige sind hier kaum zu ernten, da meist gleichzeitig viele verschiedene Pflanzen blühen, aber die Vielfalt gibt den besonderen Geschmack. Wir nennen es abwertend „ Mischhonig“. Richtig wäre: „ein Glas geschmeckte Landschaft“.


Bereitet Ihnen das Bienensterben Sorgen, über das in den vergangenen Jahren viel berichtet wurde?


Meiner Meinung nach gibt es keine Verluste, wenn der Imker ordentlich imkert! Das Bienensterben betrifft überwiegend die Wildbienen, nicht die Honigbienen. Ich hatte schon immer einen Blick für Wildbienen, aber seit ich selbst imkere, entdecke ich diese vermehrt. Grundsätzlich bin ich ein positiver Mensch, ich denke: Die Bienen gibt es schon seit Millionen von Jahren, die kommen schon durch! Aber Monokulturen sind für Bienen ein Problem, unendliche Felder, die meist nur kurzzeitige Trachten bringen. Wichtig sind für Bienen übrigens auch die Bäume, sogar noch mehr als Blühwiesen: Ein Baum bringt ihnen so viel wie zwei Hektar Blumenwiese.


Was macht Ihnen am Imkern am meisten Spaß?


Alles, eigentlich! Am wenigsten noch die Ernte. Aber am meisten freue ich mich, wenn ich im Frühjahr sehe, wie die Bienen sich mit ihren dicken Pollenhöschen abschleppen und bei der Rückkehr zum Stock zu sagen scheinen: „Puh, jetzt kann ich nicht mehr!“



Interview: Johanna Tüntsch


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