- Johanna Tüntsch
EIN PARADIES IN NOT
Im Lockdown suchen viele den Wald auf. Hier kann man sich gut aufhalten. Aber wie geht es eigentlich dem Wald? Eine kleine Bestandsaufnahme und 10 Tipps, wie jeder im Alltag etwas für gesunde Wälder tun kann.
Wälder haben seit jeher eine Faszination. Sie sind der Ursprung vieler Märchen und Mythen, ein Wohlfühlort und Wahrzeichen mancher Regionen. Gerade jetzt im Herbst lieben es die Menschen, durch das Gehölz zu streifen, während Feldmäuse und Rotkehlchen mit ihren Bewegungen im herabgefallenen Lauf ein freundliches Rascheln verursachen. Dabei ist es eigentlich fast egal, ob die Luft kristallklar und der Himmel strahlend blau ist oder ob Nebelschwaden über dem Erdreich hängen: Ein Waldspaziergang ist bei jedem Wetter schön. Leider muss man aber fürchten, dass das in Zukunft nicht mehr so selbstverständlich ist, denn dem deutschen Wald geht es schlecht. Die Försterinnen und Förster, die in Nordrhein-Westfalen im Bund Deutscher Forstleute zusammengeschlossen sind, haben so viel zu tun, dass nicht einmal für ein Interview Kapazitäten frei sind. Welche Schwierigkeiten aber sind es konkret, die die Wälder aus dem Gleichgewicht bringen? Und wo liegt überhaupt das Problem?
Eine Herausforderung, meldet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), liegt in der Dürre der vergangenen zwei Jahre. Sowohl 2018 als auch 2019 war es während der Vegetationszeit – also der Phase, in der die Pflanzen normalerweise wachsen – so trocken, dass die Bäume sich nicht nur weniger entfalten konnten, sondern sogar vorzeitig ihre Blätter abgeworfen haben. Nicht nur einzelne Arten sind davon betroffen: „Der Kronenzustand hat sich 2019 gegenüber dem Vorjahr bei allen Baumarten weiter verschlechtert“, heißt es beim BMEL. Damit nicht genug, wie aus den weiteren Ausführungen hervorgeht: „Im Durchschnitt aller Baumarten war der Kronenzustand noch nie so schlecht wie 2019.“ Seit 1984 gibt es eine jährliche Erhebung zum Zustand des Waldes, der immerhin ein Drittel der Landesfläche Deutschland ausmacht – das sind 11,4 Millionen Hektar. Immer häufiger wurden zuletzt Schadstufen im Grad 2 bis 4 festgestellt. Zur Einordnung: Damit von Schadstufe 1 die Rede ist, müssen schon elf bis 25 Prozent der Krone verlichtet sein, die Schäden liegen also vielerorts weit über diesem Wert. Das grüne Blätterdach, als das wir uns den Wald so gerne denken, hat ziemlich viele undichte Stellen.
WALDBRÄNDE: VERSTÄRKT AUCH BEI UNS EIN PROBLEM
Waldbrände haben ein übriges getan. Vorbei die Zeiten, in denen man diese als ein Phänomen betrachten konnte, das man in Südeuropa oder Kalifornien verortete: Allein 2018 gab es deutschlandweit 1.708 Waldbrände. Verglichen mit den zurückliegenden 15 Jahren war das ein unschöner Höchstwert. Hitze und Trockenheit zählen zu den Hauptursachen. Da hilft es nicht einmal, wenn es im Winter viel regnet: Die Wälder brauchen für eine gesunde Vegetation die Feuchtigkeit zwischen Frühling und Herbst – eben dann, wenn es warm ist. Die deutsche Forstwirtschaft rechnet daher in den kommenden Jahrzehnten zunehmend mit Waldbränden. Die Folgen dieses Trends sind vielschichtig. Erreichen die Flammen die Höhe der Kronen und breiten sich dort aus, kann der ganze Bestand vernichtet werden. Aber auch schwelende Feuer im Bodenbereich können langfristig dramatische Auswirkungen haben – etwa, wenn auch die Samen im Erdreich den Flammen zum Opfer fallen.
Gleichzeitig kann ein kleines, kontrolliertes Feuer aber auch förderlich für den Fortbestand der Wälder sein. Wie das? Was zunächst als Widerspruch erscheint, da Feuer schließlich Leben vernichtet, erklärt sich folgendermaßen: Wenn nur Kraut und Sträucher in Bodennähe verbrennen, hinterlassen sie freies Erdreich, in dem die Mineralstoffe der Asche wie ein Dünger wirken, so dass junge Bäume hier leichter wachsen können. Auch gibt es Bäume, die ihre Samen erst nach einem Brand freisetzen. Werden Brände in der Forstwirtschaft gezielt eingesetzt, spricht man von „Feuer-Ökologie“.
PROBLEME MIT DEM BORKENKÄFER
Schädlinge, denen bereits viel mediale Aufmerksamkeit zukam, sind die Borkenkäfer. Sie bohren sich in die Stämme hinein und sorgen, wenn der Baum sich ihrer nicht mehr erwehren kann, schließlich dafür, dass dieser abstirbt. Nun muss man dazu zwei Aspekte beachten: Zum einen kann ein gesunder Baum sich gegen Borkenkäfer zunächst durchaus wehren, indem er Harz produziert. Darin bleiben die Käfer schlichtweg kleben. Zum anderen haben auch Borkenkäfer ihre Funktion im Gefüge des Waldes, der ja totes Holz durchaus auch braucht: Viele Arten, von Insekten bis hin zu Pilzen, nutzen es als Lebensraum und Lebensgrundlage. Unter guten Bedingungen kann also der Wald selbst dafür sorgen, dass Bäume und Borkenkäfer in einem gesunden Verhältnis zueinander leben. Allerdings spielt die Trockenheit der zurückliegenden Sommer dem Borkenkäfer in die Karten. Vielerorts schwächt sie die Bäume so sehr, dass sie nicht mehr ausreichend viel Harz bilden können, während sie gleichzeitig den Borkenkäfern beste Fortpflanzungsbedingungen schenkt. Geschwächte Bäume haben es nun mit einer Übermacht an Käfern zu tun. Um dieser Missbalance Einhalt zu gebieten, werden befallene Bäume gefällt und beseitigt. Bedenkt man jedoch, wer Klimawandel und Trockenheit verursacht hat, muss man sich fairerweise fragen, wer eigentlich der Schädling ist, unter dem der Wald leidet.
WAS KÖNNEN MENSCHEN TUN, UM DEN WALD WIEDER ZU STÄRKEN?
Eine schnelle Lösung gibt es leider nicht. Wer auf Wälder blickt, tut gut daran, nicht in Jahren, sondern in Generationen zu denken. Auf lange Sicht aber hilft jeder Schritt, der dem Klimawandel entgegenwirkt. Hier 10 Tipps, mit denen man dem Wald vor Ort und im Alltag helfen kann:
Im Wald auf den Wegen bleiben – sonst kann man ungewollt Jungpflanzen beschädigen und den Lebensraum der Waldtiere durcheinander bringen.
Recyclingpapier verwenden – auch bei Taschentüchern und Toilettenpapier. Die Deutschen verbrauchen ohnehin schon mehr Papier als die meisten anderen Nationen.
Beim Kauf von Holzprodukten auf das FSC-Siegel achten. Es ist ein Hinweis auf nachhaltige Produktion.
Strom sparen – zum Beispiel die Lampe ausschalten, wenn man ein Zimmer verlässt.
Radeln oder zu Fuß gehen statt auf kurzen Strecken das Auto zu nutzen.
Mehrwegprodukte wählen, nicht Einwegartikel.
Lieber dicke Kleidung tragen als übermäßig zu heizen.
Saisonale Lebensmittel bevorzugen.
Fleischkonsum reduzieren.
Auf unnötige Verpackungen verzichten.
Quellen:
https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/wald-trockenheit-klimawandel.html https://www.forstwirtschaft-in-deutschland.de/waelder-entdecken/waldbrand/
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