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  • Johanna Tüntsch

KURZURLAUB IM BAUMHAUS

VON EINER, DIE AUSZOG, UM DIE NATUR KENNENZULERNEN

Plötzlich waren sie da: die Baumhaus-Hotels. Von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bis hinunter nach Bayern gibt es sie überall dort, wo weitläufige Waldlandschaften das Bild bestimmen. Vorzugsweise in solchen Gegenden, die nicht gerade touristisch überlaufen sind. Das ist eine Win-Win-Situation für Urlauber und Gastwirte: Die einen haben hier ihre Ruhe, die anderen eine Chance, mit ungewöhnlichen Konzepten Besucher anzulocken. Gleichzeitig passt die naturnahe Auszeit zum Zeitgeist. Baumhäuser assoziieren wir mit Minimalismus, Nachhaltigkeit und Naturverbundenheit.

Vermutlich kommen auch die Architekten und Planer hier auf ihre Kosten, denn sie dürfen der Phantasie so richtig freien Lauf lassen. Die Hotels variieren vom klassischen Blockhaus über eine Burg in der Baumkrone bis hin zum Schwebezelt, das zwischen mehrere Bäume gespannt ist. Für eine kurze, erlebnisreiche Auszeit scheint ein Baumhaus-Hotel genau das Richtige zu sein. Also los! Aber wohin genau? Aufgrund vor- und nachgelagerter Termine fällt die engere Wahl auf Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen. Die Suche beginnt – und mit ihr der Einblick in eine neue Form der Dekadenz. Denn wer beim Baumhaus noch an etwas Luftiges, unbeholfen Selbstgezimmertes denkt, der liegt weit daneben. „Glamping“ heißt das neue Zauberwort, frei nach dem Motto: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass.“ Bereite mir ein Abenteuer, aber keines, das mit Strapazen verbunden ist. Baumhaushotels mit vollausgestatteten, gekachelten Wannenbädern, Flachbildschirmen und WLAN sind keine Seltenheit

WARTEN AUF DAS ABENTEUER

Im Weserbergland finde ich schließlich etwas Rustikaleres. Im Baumhaushotel Solling, entstanden als Ausläufer der Expo 2000, buche ich den „Kobel“, benannt nach dem Bau eines Eichhörnchens. Das finde ich sympathisch. Fließendes Wasser und ein gekacheltes Bad gibt es hier nur im Bauwagen, der hangabwärts einen fünfminütigen Fußmarsch vom Baumhaus entfernt steht. Hier unten sind auch die Toiletten. Für Notfälle ist oben im Baumhaus allerdings ein Camping-Klo, wie man es aus Wohnwagen und Schrebergärten kennt. Statt giftiger Chemiekalien wird mit Holzstreu „nachgespült“. Außerdem gibt es Strom, ein gemütliches Bett, einen kleinen Tisch, zwei Stühle und einen Wasserkocher.

Wir beziehen also Quartier im Baumhaus und warten auf das Abenteuer. Öffnen sogar die Fenster! Aber nicht einmal ein Vogel lugt um die Ecke, denn es regnet. Über ein urig-gemütliches Blockhaus-Feeling hinaus will sich einfach keine besonders spannende Stimmung einstellen. Die solide gearbeitete Treppe hinab geht es also los zum ersten Ausflug. In den zwei Tagen unseres Aufenthaltes durchstreifen wir Kleinstädte und Waldgebiete des Weserberglandes. Sie sind, wie Deutschlands Provinzen sind: schön, beschaulich – und unspektakulär.

TASCHENLAMPE: JA ODER NEIN?

Abends geht es zurück ins Baumhaus. Mein Sohn freut sich schon auf das Abendessen, denn in Ermangelung einer Küche und eines nahegelegenen Restaurants habe ich Instant-Nudeln gekauft, die er von seiner Öko-Mutter sonst beinahe nie bekommt. Für ihn definitiv das Highlight der Reise! Auch schön findet er, dass seine riesengroße Taschenlampe auf dem Weg zum Zähneputzen endlich mal eine echte Berechtigung hat. Hat sie? Wir diskutieren. Meiner Meinung nach gehört es auf dieser Reise dazu, dass die Augen sich auch mal wieder ans nächtliche Dunkel gewöhnen müssen. Wir sind noch zu keinem Ergebnis gekommen, als per Bewegungsmelder am Weg die Lampen eingeschaltet werden und die Diskussion hinfällig ist.

Vor unserer Abreise schaue ich auf die leeren Verpackungen von Instantkaffee, Instantnudeln und Tütensuppen, die sich im Laufe der letzten 48 Stunden angehäuft haben. Ich freue mich darauf, bald wieder auf dem Wochenmarkt einkaufen und zu Hause mit echten Lebensmitteln kochen zu können. Irgendwie geht es bei mir in der Stadt dann doch erstaunlich authentisch und naturnah zu. Und mir scheint, das Abenteuer muss ich nochmal woanders suchen.

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