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  • Johanna Tüntsch

ZERO-WASTE-LIFESTYLE

ETWA 80 GESCHÄFTE GIBT ES IN DEUTSCHLAND, IN DENEN MAN SICH FÜR DEN TÄGLICHEN BEDARF EINDECKEN KANN, OHNE MÜLL ZU PRODUZIEREN. WIR HABEN EINEN VON IHNEN BESUCHT.

Aus der Zeit gefallen oder der Zeit voraus? In „Unverpackt-Läden“ oder „verpackungsfreien Läden“ kann man, wie der Name schon sagt, Lebensmittel und mehr ohne Verpackung einkaufen. Das heißt nicht nur, dass man den Korb oder die Tasche für seine Einkäufe mitbringen muss, sondern buchstäblich alles, was hier verkauft wird, ist lose. Ein Beispiel für dieses neue Konzept ist der Laden „Tante Olga“ in Köln-Sülz. Hier gibt es Cornflakes, Mehl, Trockenfrüchte, Nudeln, Linsen und anderes mehr in großen Spendern, aus denen man jeweils die gewünschte Menge abzapfen kann.

Anders als zu Großmutters Zeiten findet das Abfüllen nicht hinter der Theke statt, sondern wird von den Kunden selbst übernommen. Sie bringen Behältnisse mit, wiegen sie im Leerzustand und füllen sie. An der Kasse wird das Gewicht des Gefäßes dann abgezogen. Das setzt das Vertrauen voraus, dass bei der Angabe zum Leergewicht niemand schummelt. Für die drei Inhaber war das aber nie ein Problem. „Ich würde da einfach von mir selbst ausgehen“, sagt Dinah Stark gelassen. Zusammen mit Olga und Gregor Witt hat sie 2016 „Tante Olga“ eröffnet. Inzwischen beschäftigen die drei sogar schon zwei Mitarbeiterinnen, denn das Konzept ist zunehmend gefragt. Nicht nur, dass hier Müll gespart wird, gefällt den Kunden. „Viele mögen es auch, dass nur eine Sache zur Auswahl steht und zum Beispiel nicht zehn Sorten Reis“, so die Erfahrung von Dinah Stark.

„AUCH HINTEN HERUM MÜLLFREI“

In großen Gläsern, wie man sie aus nostalgischen Süßwarenläden kennt, gibt es Schokolade, Weingummi und Kakaobutter, aus denen man mit langen Zangen herausnimmt, was das Herz begehrt. Gewürze nehmen sich die Kunden mit kleinen Schaufeln aus aromadicht verschlossenen Porzellandosen. Damit nicht genug: In der Hygiene-Abteilung gibt es Seifenstücke, auch spezielle Varianten davon, die für die Haarpflege geeignet sind, Bambuszahnbürsten, Zahnputztabletten und hölzerne Kämme. Auch längst vergessene Utensilien tauchen hier wieder auf: zum Beispiel grobmaschige Beutel, in denen Reste von Seifenstücken aufgebraucht werden können. Es gibt Stofftaschentücher, bunt gemusterte Tücher, in denen sich Geschenke einpacken lassen, und Strohhalme aus Glas.

Derzeit sind etwa 350 Artikel im Sortiment, und immer wieder taucht etwas Neues auf. Alles, was verkauft wird, wurde vorher von den Inhabern geprüft und durchdacht. „Wir möchten, dass unsere Lösungen auch hinten herum müllfrei sind“, erklärt Dinah. Deswegen dauert es manchmal, bis sie den richtigen Lieferanten gefunden haben. Besonders, wenn es um flüssige Produkte geht, ist das nicht immer leicht. Kanister und Zapfhähne müssen hygienisch gereinigt, vom Anbieter zurückgenommen und neu befüllt werden. Das ist umständlich – aber möglich, wie die stete Suche zeigt. Flüssiges Spülmittel gibt es bei „Tante Olga“ bereits, Olivenöl soll ab Mai angeboten werden.

AUSTAUSCH MIT ANDEREN ANBIETERN

Bei der Suche nach neuen Lieferanten und Lösungen tauschen sich Dinah, Olga und Gregor mit den Inhabern anderer Unverpackt-Läden aus. Etwa 80 solcher Geschäfte gibt es mittlerweile in Deutschland, und allein in Köln sind es bereits drei, denn die Südstadt und der Stadtteil Ehrenfeld haben inzwischen nachgezogen. Als Konkurrenz wird das im Sülzer Lädchen nicht empfunden. Stattdessen denkt man pragmatisch: Es ist gut für das gemeinsame Ideal, wenn Lebensmittel und andere Artikel des täglichen Bedarfs in der Nähe zum Wohnort verfügbar sind.

Auch Vertreter großer Einzelhandelsketten haben sich schon bei „Tante Olga“ erkundigt, um mehr über das Konzept und die dahinterstehenden Abläufe zu erfahren. Die Inhaber des kleinen Ladens stehen Ihnen gerne Rede und Antwort, sagt Dinah: „Das macht das Thema ja nur größer.“

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