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  • Johanna Tüntsch

LESE-TIPP: CAFÉ MANDELPLATZ

EIN HALBES JAHRHUNDERT LEBEN, LIEBEN UND POLITIK IN SÜDAFRIKA.

In der Agentur Roos beschäftigen wir uns täglich mit frischem Obst und Gemüse aus aller Welt. Klar, dass uns auch die Länder interessieren, aus denen die leckeren Spezialitäten stammen. So sichten wir auch immer wieder den Buchmarkt nach lesenswerten Neuerscheinungen. Absoluter Tipp für die langen Herbstabende ist der neue Titel von Christina Brudereck.

Es ist lange her, dass mich ein Buch so richtig gefesselt, bewegt und berührt hat. Jetzt gab es wieder einmal so eine Sternstunde des Lesens. „Café Mandelplatz“ von Christina Brudereck ist ein Geschenk der zeitgenössischen Literatur. Mit einer farbenprächtigen Erzählkraft, die ihresgleichen sucht, entführt die Autorin in das Leben der Mima Mandelbaum.

Die Tochter deutscher Auswanderer führt in Johannesburg ein jüdisches Café – aber nicht nur das. Sie engagiert sich im Kampf gegen die Apartheid, sie diskutiert, sucht unermüdlich, aber vergeblich die Freundschaft ihrer farbigen Angestellten, sie leidet unter dem politischen Desinteresse ihrer Tochter, bringt ihre Familie mit ihren Aktivitäten weiter als nur bis an die Grenzen des Erträglichen und nimmt jede Herausforderung, die das Leben ihr bietet, mit Mut, Gottvertrauen und Stärke an.

„Café Mandelplatz“ steckt voller Romantik, Tragik und Lebenslust. Nebenbei, und doch so unsagbar plastisch, erfährt der Leser viel darüber, was der abstrakte Begriff „Apartheid“ ganz konkret bedeutete. Tägliche Demütigungen, die aus heutiger, hiesiger Sicht schwer vorstellbar sind.

Raffiniert stellt Christina Brudereck ihrer Protagonistin Mima eine Enkeltochter zur Seite, deren Lebensweg viel darüber verrät, wie unglaublich schwer es ist, ein Land wirklich umzukrempeln. Viele Fragen bleiben offen, manches Dilemma ungelöst. Der Roman zeigt die Chancen, die sich für jüngere Generationen ergeben, gibt aber auch eine Ahnung davon, wie viele Baustellen noch in Angriff genommen werden müssen. Gleichzeitigt ist „Café Mandelplatz“ ein Buch, das wachrüttelt und Vorbilder schafft, die man manchmal dringend braucht. Denn nicht nur in Südafrika stehen Menschen täglich aufs Neue vor der Aufgabe, sich zwischen Wegsehen und Zivilcourage zu entscheiden. Nicht nur in Südafrika treffen Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen aufeinander.

Es gehört zu den besonderen Stärken des Romans, dass er keineswegs einem multikulturellen Einerlei huldigt, sondern thematisiert, wie dringend Menschen Wurzeln brauchen. Wie wichtig die Erinnerung an die eigene Identität und Geschichte ist. Zu guter Letzt ist das Buch aber auch einfach eines: eine richtig spannende Geschichte, aus der man eigentlich nur sehr ungern wieder auftaucht. (JT)

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