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  • Johanna Tüntsch

FLEISCH VON GLÜCKLICHEN RINDERN

BESUCH IN EINEM BETRIEB, VON DESSEN ART ES MEHRERE GEBEN SOLLTE

Die Fleischindustrie hätte nicht erst eine skandalös hohe Corona-Infektionsrate in Schlachthöfen gebraucht, um ein Imageproblem zu haben. Massentierhaltung ist ein Thema, über das sich kein Verbraucher gern Gedanken macht. Billiges Fleisch wird trotzdem gekauft: ein Widerspruch, an den man sich gewöhnt hat. Aber muss das eigentlich so sein? Nein, zeigt ein Besuch bei Familie Friedrichs und ihrer Rinderherde im oberbergischen Ort Niederasbach.

Es geht aus Köln heraus gen Osten, in die grünen Hügel und Wälder des Bergischen Landes. Etwa auf der Mitte zwischen Gummersbach und Siegen liegt der Betrieb der Familie Friedrichs. David (36) und Sebastian (38) sind hier aufgewachsen. Ihr Vater Christoph, gelernter Metzger, führte den Hof früher im Nebenerwerb. Kühe gehörten immer schon dazu, doch geschlachtet wurden sie nur für den Eigenbedarf und eine kleine Direktvermarktung. Heute betreiben die Friedrichs eine beliebte Metzgerei in Köln-Sülz.

DER MUT, ES EINFACH ZU MACHEN

„Eigentlich dachten wir immer schon: Die Rindswurst, mit der wir aufgewachsen sind, ist so lecker – die wäre im Verkauf der Renner“, erzählt David. In die Fußstapfen des Vaters zu treten, kam trotzdem zunächst für keinen der Söhne in Frage. „Es war einfach nie cool, Metzger zu sein“, schmunzelt David. Also lernte er den Beruf des Zimmermanns. Sebastian studierte Sportjournalismus. Doch als die benachbarte Metzgerei, in der Vater Christoph gelernt hatte, keinen Nachfolger fand, standen die jungen Männer plötzlich vor der Erkenntnis: Dann gibt es die leckere Rindswurst, die wir so gerne mögen, in Zukunft auch für uns nicht mehr! Selbst in die Produktion einzusteigen, das wäre eine Möglichkeit. Aber sollten sie das wirklich tun?

Eine Reise in die USA gab den Ausschlag für die weitere Entwicklung. „Wir haben dort einen Freund besucht, der immer schon den Mut hatte, Sachen einfach zu machen“, erinnert sich Sebastian. Er habe die beiden ermutigt: „Wenn ihr das jetzt nicht tut, sagt ihr vielleicht später: Hätten wir doch!“ So wagten die Brüder, damals beide um die 30 Jahre alt, was sich seit über zehn Jahren in Köln keiner mehr getraut hatte: Sie gründeten eine neue Metzgerei.

„Wenn wir vorher gewusst hätten, was da alles auf uns zukam, hätten wir es vielleicht nicht gemacht“, sagen sie rückblickend. Einfach sei es nicht gewesen, in Köln ein geeignetes Ladenlokal zu finden – und das, obwohl sie nicht einmal auf einen bestimmten Standort festgelegt waren. Der im Westen gelegene Stadtteil Sülz wäre eigentlich nicht ihre erste Wahl gewesen, unter anderem deswegen, weil es hier bereits zwei Metzgereien gibt. Nachdem die Adresse in der Sülzburgstraße schließlich feststand, lagen vor den angehenden Unternehmern weitere Aufgaben: Sie mussten die Logistik der Ware organisieren, das Geschäft einrichten und nebenher die administrativen Hürden einer Neueröffnung meistern.

LANGE SUCHE NACH ZUCHTBETRIEBEN MIT GUTER HALTUNG

Parallel dazu bauten sie unter Berücksichtigung der geltenden Auflagen die Räume der Metzgerei neben dem Wohnhaus der Eltern aus und fuhren bis ins Sauerland, um einen passenden Schweinezüchter zu finden. Ihr Anspruch: Den Tieren sollte es ebenso gut gehen wie den Rindern, die sie selbst auf dem eigenen Hof züchten. Es stellte sich heraus, dass das alles andere als eine Selbstverständlichkeit war. „Was für Bilder wir da gesehen haben! Ein Stall wurde uns als besonders modern empfohlen. Dort hatte jede Zuchtsau einen Käfig, in dem sie gerade einmal aufstehen konnte. Darin bleiben die Tiere dann sieben oder acht Monate lang, ohne nach draußen zu kommen. Aber der Landwirt war stolz darauf, dass ein Belüftungssystem dafür sorgte, dass vor der Schnauze der Tiere frische Luft wehte“, erinnert sich Vater Christoph kopfschüttelnd. Nicht nur am Platz wurde gespart. Auch Stroh, in dem sie hätten liegen können, stand den Schweinen nicht zur Verfügung. „Als ich fragte, warum das so sei, sagte mir der Züchter, dass er dann von jeder Sau ein bis zwei Ferkel weniger bekäme“, so Friedrichs. Ein Argument, dass er weder ethisch noch rechnerisch gelten lassen möchte: „Es wäre doch sinnvoller, wenn er die Schweine besser halten würde und einen höheren Preis für das Kilo Fleisch bekäme.“ Den Fehler solcher Entwicklungen sieht er allerdings nicht bei den jeweiligen Landwirten, sondern im System: „Sie werden von der Kammer so beraten, das ist das Schlimme.“

Eine eigene Schweinezucht kam für die Friedrichs allerdings auch nicht in Frage. Das lohne sich nur im flachen Land, wo vom Anbau des Futters über die Aufzucht der Tiere bis hin zur Entsorgung der Gülle alles in einer Hand liege, erklären sie. Im sauerländischen Menden und in Wachtendonk am Niederrhein hatten sie aber schließlich doch Erfolg: Hier fanden sie zwei Schweinezuchtbetriebe, die zu ihrer Philosophie passten. „Dort können die Schweine draußen sein, haben eine Suhle und Stroh“, erzählt Christoph Friedrichs.

IM FRÜHLING GEHT ES RAUS AUF DIE WIESE

Draußen sein, das bestimmt auch den Alltag seiner eigenen Tiere. Der Hof ist als Naturland-Betrieb zertifiziert. Mehr als die Hälfte des Jahres verbringen die Rinder komplett im Freien. Sobald das Wetter es im April zulässt, wird das Stalltor geöffnet. Nach einer Übergangszeit, in der die Kühe selbst wählen können, ob sie lieber drinnen bleiben oder auf die angrenzende Wiese laufen möchten, wird der Stall geschlossen, gründlich gereinigt und steht dann viele Monate lang leer.

Wirklich von einer Wand begrenzt wird übrigens er nur nach einer Seite hin. Ansonsten ist er mit Gittern umsäumt und erinnert eher an einen überdimensionalen Unterstand. Die bauliche Besonderheit besteht darin, dass der Boden nicht waagerecht ist, sondern schräg verläuft. Das hat den Effekt, dass die Kühe nicht im eigenen Mist laufen müssen. Der läuft hier nämlich einfach nach unten hin ab. Wenn die Tiere sich während der Wintermonate im Stall aufhalten, legt Christoph Friedrichs jeden Morgen von der oberen Seite her frisches Stroh nach. Sobald es verdreckt, wird es schwer und rutscht nach unten durch. Dort wird es dann einfach mit einem Schieber zur Seite weggefegt und entsorgt.

DIE KÄLBER BLEIBEN BEI DEN MÜTTERN

Die Herde umfasst 30 Mutterkühe, von denen im Schnitt jede jährlich ein Kälbchen zur Welt bringt. Von April bis, je nach Witterung, in den Dezember hinein ziehen die Rinder über die Wiesen des Bergischen. Wenn eine Kuh kalbt, bleiben sowohl sie als auch ihr Jungtier bei der Herde. Eine isolierte Aufzucht mit Milchersatz käme für die Friedrichs nicht in Frage. Sie möchten, dass ihre Kühe sich wohlfühlen. Erst, wenn die Kälber zwischen acht und dreizehn Monate alt sind, werden sie geschlachtet. „Früher würden wir das aus ethischen Gründen nicht wollen“, sagt Sebastian. Weil die kleine Metzgerei so schnell viele Fans gefunden hat, kaufen die Friedrichs nun auch einige Kühe aus einem Nachbarort zu, die nach dem gleichen Prinzip gehalten werden wie ihre eigenen. Und die Eier, die in der Metzgerei angeboten werden? Die stammen aus einem Projekt der Diakonie Michaelshoven: In Waldbröl-Benroth betreibt das Haus Segenborn, eine Anlaufstelle, die wohnungslosen Menschen neuen Halt gibt, eine kleine Bio-Landwirtschaft. „Das ist eine schöne Sache, es dient der Integration. Dieser soziale Aspekt war uns wichtig“, so Christoph Friedrichs.

MAXIMAL ELF MINUTEN WEG BIS ZUR SCHLACHTUNG

Wenn die Schlachtung ansteht, müssen die Tiere nicht erst eine viele Stunden währende Fahrt über sich ergehen lassen. „Der Transport dauert sieben bis elf Minuten“, gibt David präzise an. Sein Vater legt als Metzger Wert darauf, dass das Fleisch anschließend eine Woche lang im Kühlhaus bleibt, bevor die Tiere zerlegt werden. „Dabei geht Feuchtigkeit verloren, also auch Gewicht. Deswegen kühlen viele das Fleisch einfach nur herunter und verarbeiten es dann gleich“, erklärt er: „Das sieht man dann daran, dass vom Hack nach dem Braten nur noch die Hälfte übrig ist.“ Für Geschmack und Qualität sei es aber besser, dass Fleisch erst einige Tage reifen zu lassen. Zurück auf dem Hof, wird es dann von Christoph Friedrichs und seinem Kollegen Kent Osenberg, den er schon seit Ausbildungszeiten kennt, zerlegt und zubereitet. Würste, Roastbeef und Filetstücke werden dann täglich frisch in einer kleinen, überschaubaren Menge von Niederasbach nach Köln gefahren. „Manchmal fehlt auch etwas“, berichtet Sebastian, der auch schon erlebt hat, dass ein Kunde deswegen stinksauer wurde. Nach drei Wochen sei der Mann allerdings wiederkommen. Er hatte noch einmal darüber nachgedacht und sich darauf besonnen, dass es ja eigentlich gut sei, wenn auch mal etwas nicht mehr da ist.

QUALITÄT STATT VERFÜGBARKEIT

„Man muss nicht bis null Uhr alles einkaufen können, und man muss nicht schon um drei Uhr in der Produktion stehen“, findet David Friedrichs. Er und sein Bruder legen Wert darauf, auch ihren Angestellten faire Bedingungen bieten zu können. Dazu gehören, neben verträglichen Arbeitszeiten, auch gut ausgestattete Pausenräume, die Dachterrasse, auf der man mittags mal in der Sonne liegen kann, und das Angebot von kostenlosen täglichen Mahlzeiten für das Team. Statt ständiger Verfügbarkeit des gesamten Angebotes gibt es bei den Friedrichs eben Qualität.

Die Preise unterscheiden sich trotzdem nicht wesentlich von denen, die an der Frische-Theke eines guten Supermarktes üblich sind. Möglich wird das dadurch, dass der Zwischenhandel entfällt: Bei den Friedrichs gehen Aufzucht, Schlachtung, Metzgerei und Verkauf Hand in Hand. Das Ergebnis ist so überzeugend, dass die Kunden geduldig warten, wenn sich vor dem Laden wieder einmal eine Schlange gebildet hat. Sie akzeptieren auch, dass die Öffnungszeiten nicht mit denen eines Supermarktes mithalten können: Montags ist Ruhetag, dienstags bis freitags ist von 9 bis 18 Uhr, samstags von 9 bis 14 Uhr geöffnet.

Würden die Friedrichs angesichts der guten Nachfrage mit ihrer Metzgerei umziehen, um an einem anderen Standort zu expandieren? „Nein“, sagt Vater Christoph entschieden: „Das wäre nicht fair. Schließlich haben wir jetzt Stammkunden, und ihnen gegenüber haben wir eine Verpflichtung.“

www.friedrichs-diemetzgerei.de

Text/Fotos: Johanna Tüntsch/ Metzgerei Friedrichs

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