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  • Johanna Tüntsch

SOLAWI STATT SUPERMARKT?


WIE DIE BEWEGUNG ZUR SOLIDARISCHEN LANDWIRTSCHAFT IM ALLTAG FUNKTIONIERT. MEIN SELBSTVERSUCH 2018.

Ich gehe leidenschaftlich gerne in Supermärkte. Als ich als Jugendliche und Studentin meine ersten Auslandsreisen machte, fragten mich hinterher kunst- und geschichtsbegeisterte Freunde und Verwandte: „Oh, toll! Hast du dir die großen Museen dort angesehen?“ In der Regel: Nein. Aber ich habe wie ein Schwamm all die Eindrücke aufgesogen, die sich in den Supermärkten anderer Länder offenbarten. Wie riecht es dort? Was ist teurer als bei uns, was ist günstiger? Vor allem: Was gibt es dort, das es bei uns nicht gibt? Noch heute liebe ich Supermärkte. Ich mag die Farben, die Gerüche, die neuen Ideen, die ich dort bekomme. Ich weiß, wo die Tomaten am leckersten und wo die Verkäufer am nettesten sind. Trotzdem: Als ich von Solawi las, war ich sofort angefixt.

Solawi, was so viel heißt wie „Solidarische Landwirtschaft“, ist eine bundesweite Bewegung, die es Menschen möglich macht, auch ohne eigenen Garten oder gar Acker zum Erzeuger zu werden. Ich war neugierig. Urbane Idealisten, die von Landwirtschaft keine bis wenig Ahnung haben, schließen sich zu einem Erzeugerverband zusammen. Funktioniert das? Um es herauszufinden, traf ich die Entscheidung: Da mache ich mit!

WIE SOLAWI FINANZIERT WIRD

Ein erstes Treffen gab es im Herbst. In einer Kölner Kirche kamen die Interessierten zusammen. Einige waren alte Hasen, die auch in den vergangenen zwei Jahren schon dabei waren. Andere waren Neulinge wie ich. Nachdem die inhaltlichen Fragen geklärt waren, begann ein Bieterverfahren. Das Prinzip: Jeder schreibt anonym auf einen Zettel, wie viel er im Monat finanziell beitragen kann. Dann wird ausgezählt, ob das in Summe reicht, um gemeinsam vor den Toren der Stadt einen Acker zu bestellen. Reicht die Summe, geht es los. Reicht sie nicht, geht jeder noch einmal in sich und überlegt, ob er etwas mehr geben kann. Kommt auch im dritten Versuch nicht ausreichend Kapital zusammen, dann wird noch einmal die Werbetrommel geschlagen.

Letzteres erwies sich jedoch als unnötig. In der dritten Runde passte die Rechnung und die Sache wurde konkret. Jetzt galt es, Mitgliedsanträge auszufüllen und den Betrag, den man vorher nur anonym geboten hatte, verbindlich zuzusagen. Den Winter über blieb es naturgemäß ruhig – da geschieht ja nichts auf den Feldern. In verschiedenen Treffen wurden Details geklärt und die nicht unwichtige Frage entschieden, welches Gemüse angebaut werden sollte. Den Anbau übernimmt ein kleines Team professioneller Gärtner, finanziert durch die Mitgliedsbeiträge, die wir monatlich zahlen. Unterstützt werden sie reihum von den Solawi-Mitgliedern.

Jetzt, im April, kam die aufregende Mail: Die Ernte geht los! Jeder kann an der Abholstelle sein erstes Gemüse der Saison einsammeln. Auch das ist solidarisch organisiert. Das Gemüse wird zu fünf Ausgabestellen in Köln gebracht. Dort können die Mitglieder es abholen. Alles funktioniert auf Vertrauensbasis: In einem Raum liegt das Gemüse, zusammen mit einer Liste, wie viel jeder nehmen darf.

NOCH KEINE WOCHENRATION

Jetzt, zum Saisonstart, war die Ausbeute noch mager. Mit 100 g Feldsalat, einem Kopfsalat, einem Bund Schnittlauch, 1,5 kg Kartoffeln (natürlich aus dem Vorjahr) und zwei Kohlrabi fahre ich nach Hause. Die Kohlrabi sind so groß wie Pflaumen, und ich frage mich, ob man sie nicht besser bis zur nächsten Woche hätte wachsen lassen? Aber dann wären sie vielleicht holzig geworden. Ich werde es bei Gelegenheit einen der Gärtner fragen.

Zu Hause mache ich meinen ersten Solawi-Salat – aus Feldsalat und geraspeltem Kohlrabi, dazu Orangen. Morgen gibt es dann vielleicht Reibekuchen und Kopfsalat. Für die ganze Woche wird es dieses Mal noch nicht reichen, aber ich bin zuversichtlich. Von meinen weiteren Solawi-Erfahrungen werde ich regelmäßig berichten. Zum Beispiel vom Acker: Dorthin geht es für mich in zwei Wochen das erste Mal.

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